Die Türen

Exoterik

3LP

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Ich erinnere mich noch daran, als sei es am 17. August 2018 gewesen: da standen im Zuge des Pop-Kultur Festivals in Berlin der Staatsakt-Maurice Summen, die Türen-Mitbegründer Ramin Bijan und Gunther Osburg, der Ja,-Panische Andreas Spechtl und Trommler-Rattenkönig Chris Imler gemeinsam auf der Bühne und spielten merkwürdige, neue Songs. Irgendwann, gegen Ende einer ohnehin in die Kehlen und Beine der Zuschauer mäandernden Darbietung, sang das Publikum dann auch wirklich mit – ‘Ich hab‘ keine Angst, ich hab‘ keine Angst, ich hab‘ keine Angst –, es ging ewig so, die Hingucker und Zuhörer waren plötzlich Teil des Prozesses, waren an Bord, folgten der armausbreitenden Einladung des verschmitzten Summens, dieser Pop sei für alle offen, ein Selbstverständnis, das hier auch deutlich im Groove lag, in der Ansteckung. Danach fühlten sich alle genau so, fühlten sich als Teil dessen, was da stattgefunden hatte, blieben noch etwas verdutzt in der Spielstätte stehen, fühlten sich vielleicht ertappt, unerwartet so aus sich herausgegangen zu sein. Doch das war keine (quasi-)religiöse Erfahrung, sondern ein eigentliches Pop-Ideal: Was da geschehen war, könnte man Exoterik nennen. Und so lautet – logisch! – auch der Titel des Dreifach-Albums der Türen, jener aufgrund konstanter Wiedergeburt nicht tot zu kriegenden Chamäleon-Band, die seit 2003 damit beschäftigt ist, ihren eigenen Modus zu verformen (und diesem Nicht-Zustand stets treu zu bleiben).


Exoterik (reimt sich ein bisschen auf Funkadelic): Transparenz im Prozess. Und das ist es auch geworden. Wir hören auf diesen drei Schallplatten Gott (?), Madchester, Cosmic Disco und DUB DUB DUB! Und das war alles schon spürbar, an besagtem Abend. Auf Platte bedeutet das jetzt: Türen-Hits, die produziert klingen, wo es spürbar Sicherheit gibt, Radio möglich ist, dann nächtliche Rausch-Übersetzungen, schon zwischen dem Unwort ‘Jam‘ (um es mal zu re-emanzipieren) und der hohen Kunst der Improvisation, Cut-Up Experimente, Club-Sandwiches, Fetzen und epische Gebilde – also konkret: flotte Nummern, entspannte Nummern, freche Nummern, witzige Nummern, mal mit, mal ohne Gesang, aber immer mit Parole, völlig offen, für was oder wen (Exoterik: für alle!). Die Türen steigen in Berlin vom Trans Europa um in den Regional Express. Das klingt mal nach einem etwas rauschigen Proberaummitschnitt der versiertesten Band der Welt und im nächsten Augenblick dann wie eine HD-Studioproduktion der Genialen Dilletanten (sic!), tingelt zwischen Techno und Suicide-Geplucker, zwischen Diskurspop der Berlin-Bohème und Sun Ra, zwischen Kiffertraum und Rocknummer. Oder (prätentiös): wie gelebter Situationismus.

Ein ebenso spannender Moment fand aber nach dem oben beschriebenen Konzert statt, während das Publikum da noch umhertaumelte – und dieser Moment dient dem Portrait: Da saßen die Musizierenden nämlich noch alle auf der Bühne, ‘ne Zig im Maul, ein Bier an den Lippen, und fachsimpelte unaufgeregt und beseelt über das Geschehene, um dann langsam die Kabel zu ziehen. Und ich fragte mich: Wie machen die das, wie haben die das gerade hingekriegt? Und dann dachte ich: Eigentlich ist es doch ganz einfach. Damit das spannend bleibt, für Künstler und Rezipienten, sich die Musiker nicht kannibalisieren, der Spaß also die vorprogrammierte Anstrengung eines solchen Ritts stets übersteigt, muss einfach das Ego abgegeben werden, muss es an der Pforte zum Proberaum, zur Konzertbühne, zum Studio an den Nagel gehängt oder besser noch in die Wand genagelt werden. Dann wird Summen anzählen, Spechtl mal singen (‘ICH BIN ABGEHAUEENNNN‘), Imler den Orient bringen. [Jetzt Entstehungsgeschichte!]: So geschehen im August 2018, in den heißesten Tagen des Dürresommers (39°C tant et plus), in Ringenwalde, im Gasthof zur Eisenbahn. 5 Tage, 15 Stunden Musik, live, gemeinsam, dann Editierung (Mix Bijan und Spechtl, Mastering Norman Nitzsche/Calyx). Summen sagt: „Die besten Bands der Geschichte lebten vom Edit, Beatles, Can, Material, Neu, This Heat ...“! Recht hat er.


Service-Leistung Band-Bio: Die Türen gibt es seit 2003, sie sind seit dem mit (kurzer Unterbrechung) Gunther Osburg (Gitarre, Keys), von früh bis spät Ramin Bijan (Bass – der einzige Mucker, der darf!) und Maurice Summen (Gesang, Percussion, Gitarre), seit 2012 Andreas Spechtl (erst Gitarre und jetzt ‘nur‘ noch Modular-System, Keys und Gesang) und Chris Imler (Trommel) und eigentlich Michael Mühlhaus (Keys, diesmal busy mit Kante), die man ALLE AUS DIVERSEN ANDEREN PROJEKTEN KENNT! 2014 hießen sie für kurz mal Der Mann. Das Artwork von Markus S. Fiedler, der sich für die gesamte Ästhetik der Band verantwortlich zeichnet, ist Rosa und Gold geraten, garniert mit etwas Hautfarbe, es wirkt sehr (post-Internet)-modern, zeigt nackte, geschlechtslose Avatare in einem klitoresquen Bubblegum-Gebirge.

Na, und so ist jetzt eben ein unfassbar vielseitiges, exoterisches Dreifach-Riesenalbum entstanden. Aber ganz ehrlich: die Worte genügen nur dem Drumherum, hören muss man das schon selber ...

–Hendrik Otremba

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Veröffentlichungsdatum: 25.01.2019

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