Gleise trennen das skandinavische Viertel vom Gleimkiez. Mütter stehen mit ihren Kindern auf einer kleinen Brücke und winken den Lockführen zu. Vor der Brücke „die Koppe“, ein Zugezogenentreff zum Kaffeetrinken, Mittagessen und Bierbestellen. Von der Koppe aus führt die Sonnenburger Straße runter bis zu einem Wendehammer. Dort räkeln sich im Sommer die Katzen auf den Motorhauben. Vor dem Fenster der Hausnummer 54 sieht man bei Sonnenschein bei den Katzen auch schon mal die Belegschaft des Berliner Labels staatsakt Zigarettenrauchen.
Ein Stück zurück, im alten Umspannwerk an der Sonnenburger, sitzen heute Zalando mit einem ihrer Modecallcenter, gegenüber auf der anderen Straßenseite lebt die Band Isolation Berlin in einer Wohngemeinschaft. Die Gastronomen der Nachbarschaft haben Angst vor dem Tag an dem Zalando mit seiner Belegschaft in einen anderen Kiez zieht. Isolation Berlin begleiten das tägliche Treiben mit ihrem Depro-Wave-Rock den sie selbst „Proto-Pop“ nennen. (Recht haben sie, denn wie oft schon wurde in der Vergangenheit aus dem Ausdruck von Widerstand, Abscheu und Abkehr aufgeladen mit viel Energie nicht schon ein gut laufendes Konsumprodukt.)
Auf Ihrer ersten selbst produzierten EP mit dem Titel „Körper“ findet sich nicht umsonst eine Radierung von ihrem Haus- und Mietwohnungskünstler Yannick Riemer. Er zeichnet seinen dunklen Blick auf das besagte Bahngleis-Szenario. Isolation Berlin singen ihre Lieder über Entfremdung, Exzess, Fortpflanzung und Fortbewegungsmittel immer mit einer zärtlichen Poesie. Die Liebe zum Wort und dem damit verbundenen Drang zur Melodik lassen, bei allem grauen Fassadenhass, doch sehr viel Lebensfreude im Inneren spüren. „Schlafen kann ich auch noch wenn ich tot bin“, zitieren sie gleich mal Rainer Werner „Maria“ Fassbinder, ohne damit auch nur eine Sekunde lang in irgendeiner Referenzhölle kleben zu bleiben. Nein, Isolation Berlin: Das ist hier und jetzt! In unserer Nachbarschaft!
Und sie sind dabei so Berlin wie ausdrücklich No-Berlin, um den alten No-New-York-Vergleich zu bemühen. Aber das ist nichts weiter als eine Popkritiker-Fußnote. Und - ach so: Wem das Authentizitätsgehabe von Rock & Roll-Bands (männlich, weiß und heterosexuell) schon seit Jahren auf den Geist geht, der sei bitte beruhigt: Isolation Berlin sind sich der Flüchtigkeit und dem Überfluss Ihres irdischen Banddaseins mehr als bewusst. Und so paradox das auch klingen mag:
Genau das macht sie gerade so unschlagbar stark.